USA 6 - Arizona/Nevada
Grand Canyon
Und wiedermal stellen
wir - völlig konsequenzlos - die Uhr auf Arizonazeit, es geht zum Grand
Canyon. Als wir einmal einen Amerikaner nach der Grösse des Grand
Canyons gefragt hatten, meinte dieser: „ihr habt doch Eure Alpen in
Europa, ja? Jetzt nehmt ihr diese, dreht sie um und drückt sie wieder in
die Erde, so gross ist der Grand Canyon!“ Ob dieser dem Vergleich
standhält sei dahingestellt, auf jeden Fall gibt es unzählige
Möglichkeiten, diese gewaltige - ca. 450 km lange Schlucht zu besuchen.
Da wir vom Norden kommen, fällt die touristische South Rim zum Glück schon mal weg. Die North Rim
steht am höchsten über dem Colorado, nämlich 1‘800 m, dort soll es aber
bereits recht kalt sein. Wir entscheiden uns für einen relativ
unbekannten und aufgrund Dirtroads kaum besuchten Aussichtspunkt,
nämlich den Toroweap Point - wir sollten die Entscheidung nicht
bereuen. Durchs Antilope Valley holpern wir die ungefähr 100 km
Dirtroad, bis wir zur Tuweep Ranger Station kommen, am Rande des Grand
Canyon National Park. Die heraneilende Rancherin grinst über beide
Backen und begrüsst uns im breitesten St. Galler-Dialekt: „jo wad mached
den ier Basler da? Die USA-Liebhaberin Jasmin arbeitet als Volontärin
einige Monate hier „am A… der Welt“ und freut sich, an der wohl
einsamsten Rancherstation in ganzen Südwesten jemanden zum plaudern zu
haben. Gerne nehmen wir das Angebot auf einen zweiten Espresso
(Bialetti, auf die Schweizer ist eben Verlass) und lassen uns von ihren
begeisterten Schilderungen des Grand Canyons verzaubern. Kurze Zeit
später trifft auch der lustige Oberrancher Todd ein, so schnell kommen
wir hier nicht mehr weg! Als wir uns schliesslich wieder ins Auto
setzen, haben uns die Beiden eine Nacht auf dem Campingplatz
aufgeschwatzt und uns viele Insidertipps zu den schönsten
Aussichtspunkten gegeben. Der kleine Einfachcamping mit traumhafter
Aussicht über den Canyon ist nur über eine steinige 4x4-Piste zu
erreichen, entsprechend einsam ist es hier und wir können uns den
schönsten Platz aussuchen. Bevor wir uns einrichten fahren wir aber zum
Canyonrand, denn jetzt wollen wir endlich diesen vielgepriesenen
„Graben“ sehen! Obwohl der Canyon hier „nur“ etwa 1'000 m hoch ist, ist
der Ausblick gewaltig. Wie klein kommen wir uns vor hier oben, als
winzige Punkte sehen wir ein paar Boote weit unten auf dem Colorado
dahintreiben. Wir sind überwältigt, dabei sehen wir nur einen so kleinen
Teil des Ganzen, der Vergleich mit den Alpen kommt mir wieder in den
Sinn, hat vielleicht doch was. Dieser Meilenstein muss mit einem Bier
begossen werden, schliesslich fahren wir seit Wochen ein paar „Grand
Canyon Amber“ mit uns rum! Zurück auf dem Campplatz wird die Hängematte
installiert und dann heissts einfach nur Aussicht und schönes Wetter
geniessen, denn während Dani den Nachmittag für eine Wanderung zu einem
weiteren Aussichtspunkt nutzt, heissts für mich Fuss hochlagern, denn
ich hab mir am Tag zuvor den grossen Zeh verstaucht als ich - wie immer
in Crocs - in den Felsen rumgekraxelt bin. Pünktlich zum Apero besucht
uns Jasmin und steuert einen grossen Pot gemischte Nüsse und frische
Trauben bei, ein willkommener Luxus. So gemütlich hätten wir uns unseren
Grand Canyon Besuch echt nicht vorgestellt!
Nachdem wir die Umgebung gründlich erkunden haben,
verlassen wir am nächsten Tag den Nationalpark und fahren weiter durch
traumhafte Landschaft Richtung Mt. Trumbell. Auf einem schönen Platz mit
Aussicht hat Dani wieder mal Musse die Reifen zu jonglieren,
unglaublich dass wieder fast 5‘000 km vergangen sind seit dem letzten
Wechsel nach dem Yellowstone…
Während dessen schustere ich einen
Pizzazeig zusammen denn uns ist nach italienisch. Eine Calzone in der
Omnia solls werden, eine echte Herausforderung ohne die gewohnten
italienischen Produkte, aber das Ergebnis ist trotzdem sehr lecker!
Für
einen Versorgungsstop müssen wir dann wieder mal in die Stadt, nach
St. Georg. Wir brauchen Vorräte und ganz dringend neue Crocs, die laufen
sich bei uns fast noch schneller ab als Ticos Reifen.
Nach diesem letzten Abstecher nach Utah lassen wir das Colorado Plateau endgültig hinter uns und freuen uns auf Nevada!
Valley of Fire
Auf dem Weg nach Las Vegas kommen wir am Valley of Fire State Park
vorbei. „Fire“ weil die Felsen in der Sonne wie Feuer leuchten. Wir
überlegen eine Weile, ob wir diesen Park besuchen wollen oder nicht,
denn rote Felsen haben wir in Utah eigentlich mehr als genug gesehen um
ehrlich zu sein. Anderseits finden wirs einfach nicht recht, Nevada
lediglich auf Las Vegas zu reduzieren und sind neugierig, was der Staat
sonst noch zu bieten hat - wenigstens der südliche Zipfel der auf
unserem Weg liegt.
Bereits das Visitor Centre überzeugt uns dass der
Parkeintritt gut investiert ist. Informativ und detailgetreu werden
hier Flora und Fauna nachgestellt. Es gibt interessante Kurz-Dokufilme
über die hiesigen Gifttiere und was sonst noch so kreucht und fleucht im
Gebiet, lebendige Exemplare können sogar in Vitrinen begutachtet
werden. So verbringen wir einen spannenden Tag inmitten der „feurigen“
Felsen. Wir laufen ein paar kurze Wanderwege, aber da die Sonne bereits
wieder erbarmungslos auf uns niederbrennt, beschränken wir uns um die
Mittagszeit auf die fahrbaren Loops durch die kuriosen Felsformationen.
Am besten hat uns der Pink Canyon gefallen. Das Farbenspektrum kann
getrost mit den White Pockets in den Vermilion Cliffs mithalten und wenn
man durch den Canyon läuft kommt man sich vor wie in einem Candy
Crush-Spiel, fast erwartet man dass bunte Bonbons vom Himmel regnen.
Die Nacht verbringen wir im Lake Mead Recreational Area,
dem Erholungs- und Naturschutzgebiet rund um den Lake Mead, dem
grössten Stausee des Colorados, wichtigster Energielieferant und
Trinkwasserspeicher für Las Vegas und Südkalifornien und gleichzeitig
beliebtes Winterdomizil all der sonnenhungrigen Rentner Kanadas und
Alaskas - Snowbirds genannt. Als die Sonne untergeht, bleibt
ein heller Bogen im Westen bestehen, hinter den Hügel liegt sie, die
Stadt der Sünde: Vegas Baby!
Las Vegas
Etwas aufgeregt sind wir
schon, denn unser Ziel liegt gleich am „Strip“ wie die 6 km lange
Hauptstrasse genannt wird, an welcher die gigantischen Casino-Resorts,
die Läden, die Restaurants und überhaupt einfach alles liegt. Wir wollen
auf den Campingplatz hinter dem Circus Circus Casino. Bezahlbar und
vorallem zentral soll dieser sein. Tatsächlich führt uns unser
Navigationsapp, welches wir ausschliesslich für Stadtbesuche verwenden,
direkt zum Ziel. Mühelos ergattern wir einen Platz direkt neben dem
Pool. Für nur 20$ die Nacht dürfen wir nicht nur diesen mitsamt Whirlpool
benutzen, sondern auch die unbeschränkt heissen Duschen und das WLAN.
Nun aber nichts wie rein ins Vergnügen. Während drei Tagen erkunden wir
den Strip und die Casinos. Während die Spielhallen immer in etwa gleich
aussehen, scheint es, als ob sich die Hotels mit der Innenausstattung
gegenseitig zu überbieten versuchen. Römische Tempel im Caesars Palace,
venezianische Gondeln im Venetian, ein tropischer Garten misamt
Flamingos im gleichnamigen Casino, eine überdimensionale Sphinx im
Luxor, ein authentischer Strassenzug im New York New York und eine
Ritterburg im Excalibur... man könnte noch so viel aufzählen. Wir kommen
uns vor wie Alice im Wunderland, und wenn die Füsse nicht langsam
schmerzen würden, wir würden vermutlich immer noch Eingangshallen
erkunden. Dabei sind die Anlagen soo riesig, dass wir vom Haupteingang
des Circus Circus bis zum Campingplatz hinter der Anlage eine
geschlagene halbe Stunde laufen müssen und jedes Mal finden wir einen
anderen Weg. Besonders gut gefällt uns die Freemont Street by
night. Ein ganzer Strassenabschnitt wurde überdacht und mit Millionen
von LEDs bestückt welche eine gigantische Lichtshow zum Besten geben,
während Wagemutige an einer Zipline in rasantem Tempo über unsere Köpfe
hinwegsausen. Auf der Strasse tummeln sich Strassenkünstler und
-verkäufer, die Besucher drängen sich vor den verschiedenen Bühnen mit
Shows und DJ’s oder lassen sich mit allerlei kuriosen „Künstlern“
ablichten. Wir bestaunen das Spektakel und geniessen für einen Abend
diese eigene Welt, die eigentlich so gar nicht die unsere ist.
Auf
ein Abenteuer haben wir uns aber ganz besonders gefreut. Aus unserer
Reisekasse haben wir den Auftrag, den Strathosphere Tower zu erklimmen
und die verschiedenen Adrenalinkicks auszuprobieren. Während für mich
die Aussenplattform auf 350 Meter Höhe bereits Adrenalinkick genug ist,
lässt sich Dani in die Luft katapultieren und schwebt in einem
„Karussel“ über dem Abgrund, mir wird schon beim Fotografieren ganz
anders. Aber Spass hats gemacht und wir können uns kaum lösen von der
unglaublichen Sicht über die Stadt, Wüste ringsum und bis weit zu den
Bergen. Ja sie ist voller Superlativen diese Stadt, aber auch voller
Gegensätze. Wendet man den Blick mal ab vom ganzen Glanz und Glimmer und
schaut in die Seitenstrassen, wird einem schmerzhaft bewusst, dass es
auch viele Verlierer gibt in dieser Stadt, und auch die vielen
trostlosen Gestalten die oft stundenlang vor den selben Slotmaschinen
sitzen, stimmen uns nachdenklich. Doch auch wenn man nicht dem Reiz der
Spielautomaten verfallen ist, ist Vegas eine kostspielige Stadt die niemals schläft und wir
sehnen uns nach Ruhe und Natur. Auf der Fahrt aus der Stadt stolpern
wir noch quasi über einen IKEA, und seufzend stellt Dani den Blinker.
Aus Erfahrung weiss er, dass wir hier nicht mehr so schnell wegkommen,
ja, auch knapp 3 m2 Wohnfläche wollen ordentlich dekoriert sein. Ich
fühle mich fast wie zuhause, alles ist haarklein gleich wie in unserem
IKEA in Pratteln und als ich mit zwei Hot-Dogs und Donuts zum Ausgang
laufe, erschrecke ich fast, als ich statt dem gewohnten Bild draussen
nichts als Steppe erkenne. Wir suchen uns einen idyllischen Platz in der
Wüste, umgeben von Joshua Trees und Kakteen und ich schneide seelig
meine neuen Teppiche zurecht. Schliesslich wollen wir einen anständigen
Eindruck machen wenn wir nach Californien einfahren.