Benelux 2024 - Burgen, Grachten & windige Küsten
Es ist ja nicht so, dass man die Ferien nicht schon vor einem Jahr abgemacht und die "Planung" wie ein Damokles-Schwert seit Wochen im Raum geschwebt hätte, aber diverse Projekte wie Schulabschluss, neue Berufsaussichten und nicht zuletzt das grosse Projekt Tico 2.0 hat uns einfach so absorbiert dass es am Schluss auf das Motto: "stell Dir vor plötzlich sind Ferien und keiner weiss wohin?" herausgelaufen ist. Wetterbericht war weder mit Google Maps noch mit Terminplan kompatibel und schliesslich waren wir derart "ferienreif" dass wir uns auf bewährte Strategien verliessen: Büssli packen mit Bikes, Wanderschuhen und Kochkisten und auf in den Westen!
Kaum sind wir auf der Strasse und in unserer Wohlfühldestination Frankreich angekommen, kehrt auch die Inspiration zurück und wir halten auf den Norden Frankreichs zu: die Ardennen, denn da haben wir noch so einiges auf der Bucket List...
Erster Stop Pfälzerwald und kurz Beine vertreten an einem romantischen Seeli. Inspiriert von der schönen Natur und einem regenfreien Zeitfenster dehnen wir die Runde aus und erkunden eine alte Burg, die hoch auf den für den Pfälzerwald typischen Sandsteinfelsen thront.
Bouillon
Nach kurzen Abstechern zu geschichtsträchtigen Zeitzeugen der Maginot Linie und hübschen Dörfern entlang der Semois erreichen wir Bouillon. Wir sind bereits in den belgischen Ardennen - genauer in der Wallonie, dem hügeligen Süden Belgiens. Das Städtchen unterhalb der imposanten Zitadelle gefällt uns aussergewöhnlich gut und mangels Parkmöglichkeiten richten wir uns etwas ausserhalb bei einem Aussichtspunkt mit markantem Turm ein. Nach dessen "Besteigung" regnet es allerdings bereits wieder und statt Bike-Tourli runter ins Dorf kuscheln wir uns im Büssli ein und kochen etwas feines warmes...
Schwere Kost in Dinant und auf den Spuren Napoleons
Von der Semois wechseln wir an die Meuse und fahren nach Dinant - ein Städtchen dass wir schon lange auf der Bucket list haben. Diesmal spielt auch das Wetter einigermassen mit und wir flanieren durch den malerischen Ort, der im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle gespielt hat. Die grausame Vergangenheit wird unglaublich eindrücklich auf einem Rundgang durch die Zitadelle veranschaulicht, mit dem Gang durch einen Schützengraben nachts während eines Angriffs, durch ein sinkendes Schiff in Schräglage, den Folterinstrumenten aus dem Mittelalter und gelesenen Erlebnissen der Bevölkerung während der Belagerung durch die Deutschen Truppen im Krieg. Schwer lastet das Erlebte und auf dem Dach der Zitadelle schütteln wir die Emotionen wieder halbwegs ab - dankbar dass wir in an einem Ort des Friedens leben dürfen und sich unsere aktuellen Sorgen um Nichtigkeiten wie Wetter und Schlafplatzsuche drehen...
Nächster Halt: Waterloo, wo Napeolons finale Niederlage stattgefunden hat. Das Thema wird hier sehr modern dargestellt: ein gigantischer Hügel mit einem Löwen und ein unterirdisches Museum, welches zu besuchen wir uns nicht durchringen können, uns steckt der Besuch von Dinant noch zu sehr in den Knochen...
Wir befinden uns mittlerweile im Norden der Wallonie und die Landschaft ist geprägt von Landwirtschaft und kaum vorhandener Topografie. Die Schlafplatzsuche gestaltet sich schwierig und wir schrauben unsere Ansprüche ein paar Punkte runter - angesichts des Gruselwetters auch völlig ok!
Stadtbummel in Gent
Auf unserem Weg in die Niederlande liegt Gent - und was wir von dieser Stadt gelesen haben macht uns neugierig...
Wir parkieren unweit der Stadt und radeln auf dem gut ausgebauten Radnetz ins Zentrum. Die Bikes wähnen wir sicher im gut ausgebauten und überwachten Bike-Parking und machen uns auf, die geschichtsträchtige Stadt zu erkunden.
Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus und bewundern ein prächtiges Gebäude nach dem anderen. Nicht nur die Historie ist erstaunlich, auch die Geschäfte wo die berühmte belgische Schokolade angepriesen wird. Diese wirken von aussen wie teure Juweliergeschäfte, nur das eben in der Auslage keine Juwelen und protzige Diademe liegen, sondern exquisite Pralinen...
Nach einem langen Tag mit imposanten Kirchen und Palästen, Shoppingmalls und unzähligen Grachten kehren wir müde zum Bike-Parking zurück, wo uns fast der Schlag trifft: Eindeutige Spuren zeugen von einem versuchten Raub unserer Bikes, mit Hilfe einer als Hebel eingesetzten Sattelstütze wurde unser massives Schloss gesprengt und Danis Bike entwendet. Meines war derart im Ständer verkeilt, dass es vermutlich zu mühsam war dieses zu befreien. Wir finden Danis Bike glücklicherweise in einer Ecke des Parkings, ganz offensichtlich wurde der Dieb gestört - vermutlich noch in der Nähe um sein Werk zu vollenden...
Da hatten wir tatsächlich Glück im Unglück, wenngleich es wirklich nicht intelligent war, so auffällige Bikes nur mit einem Schloss gesichert alleine zu lassen.
Trotzdem hat uns der Vorfall den Tag versaut und wir beschliessen, noch am Abend durch den Westernschelde-Tunnel in die Niederlande zu fahren. Der 6.6 km lange Tunnel führt unter dem Meer durch führt uns an die niederländische Nordseeküste mit ihren zahlreichen Halbinseln.
...an der Nooordseeeeküste...
Noch nie waren wir an der Nordsee - allerdings haben wir sie uns so ähnlich vorgestellt: rauer Regen, peitschender Wind, nasser Sand und Kälte bis in die Knochen... treu nach unserem Motto: "Life is a mountain - not a beach" ;-)
Was wir aber auch erlebt haben sind wunderschöne Küstendünen, salzige Luft und unglaublich pittoreske, aufgeräumte Dörfchen mit mehrheitlich völlig übertrieben grossen Kirchen, warum auch immer. Uns gefällts hier und wir finden sogar einen einsamen Parkplatz direkt am Strand, perfekt für die Nacht. Aufgrund der Kälte muss die Grosszehe in der Nordsee genügen und auch der heftige Hagelsturm verdirbt uns die Stimmung nicht, Gin & Tonics on Ice, was will man mehr?
Leyden
Als Basis für unsere geplanten Aktivitäten in den Niederlanden haben wir uns Leyden ausgesucht. Auch wenn das Hotel leider ein völliger Fehlgriff war, hat uns das Städtchen mehr als begeistert und wir verbringen einen ganzen Tag mit erkunden und schlendern. Besonders gefallen uns die Grachten und der Hafen und mit den Bikes haben wir genau die richtigen Fortbewegungsmittel dafür - auch wenn wir und zwei, drei weitere Touristen erstaunlicherweise die einzigen sind, die in Holland einen Velohelm zu tragen scheinen!
Corpus Museum
Der Grund warum wir in Leyden gelandet sind ist das Corpus Museum, welches zu besuchen Danis Geschenk zu meinem Geburtstag war!
Das Museum ist wie ein menschlicher Körper aufgebaut, man läuft durch Blutgefässe, wird wie ein rotes Blutkörperchen durch die Arterien geschleudert, sieht durch das menschliche Auge, sitzt im Gehirn und wird durch den Darm "verdaut". Dabei lernt man allerlei Physiologisches um den menschlichen Körper und dies mit allen Sinnen. Im Anschluss bahnt man sich seinen Weg wieder nach unten durch zahlreiche Ausstellungen, Experimente, Spiele und Tests - definitiv ganz nach meinem Geschmack und absolut empfehlenswert!
*die Fotos vom "Inneren des Körpers" stammen von der Webseite des Corpus Museum, da das Fotografieren nicht gestattet ist.
Amsterdam
Vom letzten Städtetrip geprägt, lassen wir diesmal die Bikes sicher im Büssli und starten von unserem Basecamp aus in Leyden und fahren mit dem Zug in die Hauptstadt. Allein der Bahnhof ist atemberaubend imposant, dann fällt der Blick auf die Grachten, auf denen unzählige Touristenboote und Wassertaxi herumwuseln, auf den Strassen Fahrräder wohin man sieht - wir sind erstmal völlig überfordert. Zum Glück haben wir uns im Hotel schon Gedanken gemacht was wir sehen wollen und eine grobe Route zusammengestellt. Besonders eindrücklich die schmalen "schiefen" Wohnhäuser, die Geschichte dahinter ist so einleuchtend wie genial: da der Steuerwert eines Hauses hauptsächlich durch die Bodenfläche generiert wird, baut man in Amsterdam hoch und schmal, verdammt schmal, so dass es im Inneren kaum Platz für ein Treppenhaus gibt. Damit man trotzdem die oberen Stockwerke möblieren kann, werden die Möbelstück mit einem Flaschenzug aussen hoch befördert, und damit sie nicht an die Fassade schlagen ist die Fassadenfront gegen oben vorgeneigt (wisst ihr ungefähr wie ich meine?). So wirken die Häuschen allesamt etwas schief gebaut...
Natürlich sehen wir uns auch die ganzen Coffeeshops an, den Tulpenmarkt, das Chinatown und das Sexviertel mit den Damen in den Schaufenstern. Davon gibt es zum Glück nicht mehr all zu viele, die meisten Fenster wirken verwaist. Am Nachmittag hats wahnsinnig viele Menschen in der Stadt, die Getränke in den Bars sind massiv überteuert und für uns reichts dann auch... Abends sind wir völlig fertig und fahren zurück ins Hotel.
Fazit: Auch wenn die Stadt sehr eindrücklich ist, uns gefallen die kleineren Orte viel besser - weniger Tourismus und viel mehr Charme.
Raus in die Natur...
Nach so viel Fahren, Städten und Menschen brauchen wir dringend etwas Natur - diese finden wir wiederum in den Ardennen.
Beim Trailrunning, Biken und Campen in der puren Natur schöpfen wir Kraft und Erholung, dabei sehen wir weitere historische Leckerbissen und wilde Natur. Auch wenn es abends und morgens bitterkalt ist draussen und die Überwindung in die klammen Bike-Klamotten zu steigen gross ist, lohnt es sich definitiv!
Highlights sind unangefochten die Abschnitte des "Stoneman Trail Arduenna" die wir mit dem Bike fahren. Nebst abenteuerlichen Single-Trails führt der Trail an vielen Highlights vorbei, unter anderem am Signal de Botrange im Hohen Venn, der mit 694 m die höchste Erhebung Belgiens darstellt oder dem Dreiländereck Belgien-Luxembourg-Deutschland. Wir geniessen die Tage und das schöne Wetter und irgendwann kommen wir hierher zurück und fahren den ganzen Stoneman Trail am Stück - 176 km feinster Bike-Spass!
Spa
Wir kommen auch an Spa vorbei - Kurort der Schönen und Reichen und bekannt für seine Formel 1-Rennstrecke. Wir spazieren durch schöne Parkanlagen und staunen über die luxuriösen BBQ-Anlagen der Belgier und natürlich machen wir einen Abstecher zur Rennstrecke, wo sogar gefahren wird - gar nicht so einfach die rasanten Boliden vor die Linse zu bekommen.
La Roche en Ardenne
Ein ganz besonderes Kleinod ist das Städtchen La Roche en Ardenne an der Ourthe. Am Morgen noch in dichten Nebel getaucht, spazieren wir dennoch - wenn auch etwas frustiert - der Uferpromenade entlang und gönnen uns leckere Croissants und Kaffee in der Boulangerie am Dorfplatz. Beim Verlassen blitzt die Sonne durch und wir wandern hoch zur Burgruine, wo wir die Aussicht über das Städtchen geniessen.
Abstecher nach Luxembourg
Luxembourg heisst Shopping - wegen Alkohol und Zigaretten fahren die Menschen hier Hunderte von Kilometern wie wir an den Nummernschildern auf dem Parkplatz der Shopping-Mall erstaunt erkennen. Wegen Tabak fahren wir natürlich keinen Meter, aber ein, zwei Flaschen Gin dürfen schon noch ins Gepäck. Shopping-Muffel Dani ist völlig überfordert, nicht nur von der Gin-Meile, nein auch Tonics gibt es auf rund 6 Metern!
Wir sind aber nicht nur wegen Gin in Luxembourg, wir wollen auf den Muellerthal-Trail, ein riesiges Geflecht von Wanderwegen inmitten der markanten Sandsteinfelsen die es hier im Südosten des Landes, an der Grenze zu Deutschland gibt. Wir montieren unsere Trailrunning Schuhe und ziehen los. Es macht Spass auf den steinigen Pfaden, durch enge Felsschluchten, über Aussichtsfelsen und Tuffterassen. Besonders neugierig sind wir auf den "Scheissendempel" - kein Scheiss, das pittoreske Brückli über einem trägen Bächli heisst tatsächlich so... ihr glaubt es nicht? Wir haben ein Beweisfoto in der Galerie...
Auf dem Heimweg...
Gegen Ende unseres Urlaub bessern auch die Temperaturen wieder und irgendwie zieht es uns so gar nicht zurück nach Hause...
Zurück in Frankreich dehnen wir den Heimweg noch etwas aus und machen einen Abstecher zu einem See, wo wir noch etwas Sonne tanken und die Seele baumeln lassen. Es fühlt sich so gut an auf den warmen Felsen zu liegen und unter uns das Wasser plätschern zu hören - weit draussen auf dem See versuchen ein paar Fischer ihr Glück und eine kleine Eidechse gesellt sich zu uns auf der Suche nach etwas Wärme...
Mein Kopf auf Danis Brust - der regelmässige Herzschlag fast meditativ... ach könnte dieser Moment doch nie zu Ende gehen.