Zentralamerika 2 - Guatemala
Die Grenze Belize - Guatemala ist ein einziges
Durcheinander: Lastwagen und Minibusse blockieren den Weg, Gebäude,
Marktstände und überall Menschen. Kinder bieten sich als Grenzhelfer an,
jeder will was von uns und versucht auf sich aufmerksam zu machen.
Hier
hilft nur tief durchatmen und selbstbewusst seinen Weg suchen. Wir
marschieren zum Grenzgebäude und fragen uns durch. Wir bezahlen die
Ausreisegebühr (Belize bleibt teuer bis zum letzten Meter) und bekommen
unseren Stempel. Nun noch die temporäre Einfuhr (TIP) fürs Auto annulieren und
ab geht’s nach Guatemala.
Ha denkste, da fehlt doch tatsächlich
genau das Dokument, ohne welches wir auf gar keinen Fall ausreisen
dürfen. Tja, das haben wir nicht bekommen, erkläre ich standhaft. Der
Beamte blickt mich ausdruckslos an und meint, wir sollen doch nochmal
zurück ins Auto und suchen. Alle Einwände helfen nicht, wir werden
schliesslich von ihm persönlich zum Auto eskortiert, worauf er anfängt,
in unserer Führerkabine herumzukramen. Auf meine Frage was er genau
suche, erklärt er mir geduldig, dass das Formular sicher hier irgendwo
sei, und er würde es finden. Jetzt wird’s mir aber zu bunt, schliesslich
hab ich als Perfektionistin meine Papiere im Griff und überhaupt geht
das gar nicht. Natürlich findet er das Formular nicht. Zurück beim
Schalter stehen wir vor der Wahl, 250 US-Dollar Strafgebühr (!!) für ein
neues TIP zu bezahlen oder das alte zu finden, sehr witzig. Dani zieht
mich weg, bevor ich mich mit meinem losen Mundwerk noch ins Gefängnis
manövriere. Wir sitzen im Auto und überlegen. Schliesslich kommt mir ein
Gedanke und ich hole die Versicherungsdokumente aus dem Handschuhfach.
Tatsächlich kommt mir das TIP entgegengeflogen, welches säuberlich
zwischen der Police liegt. Ich könnte schwören, ich hab den Wisch noch
nie gesehen und kann mir auch nicht erklären, wie er dahin geraten ist…
Ich spüre Danis vernichtende Blicke auf meinem gesenkten Haupt und
schreite mit hochrotem Kopf zurück zum Schalter. Irgendeine Ausrede
murmelnd übergebe ich das Corpus Delicti und ernte einen „hab ichs nicht
gewusst“-Blick des sichtlich genervten Grenzbeamten, haben wir ihn doch
sicher eine Stunde von seiner Siesta abgehalten…
Der Rest läuft nach
Plan: Geld wechseln auf dem Schwarzmarkt, obligatorische
Reifendesinfektion, Einreise nach Guatemala und Auto einführen. Das TIP
liegt säuberlich zuoberst auf den Grenzdokumenten wo es hingehört, falls
mich beim nächsten Grenzübertritt wieder ein akuter Anfall von
Gedächtnisverlust ereilen sollte…
Im Grenzort Melchor suchen wir
erstmal eine Bank, welche uns zu einem vernünftigen Kurs
guatemaltekische Quetzales wechselt, dann wird der nächste Supermarkt
angesteuert. Der erste Einkauf in einem neuen Land ist immer herausfordernd. Die komplette Überforderung aufgrund des neuen Angebots und
der fremden Währung. Just als wir auf die Hauptstrasse abbiegen, kommt
uns ein bekannter Landcruiser entgegen. Die Underways Ueli & Myrtha
auf dem Weg nach Belize, was für eine schöne Überraschung. Wir wussten
dass wir sie irgendwo kreuzen würden, hätten aber nicht gedacht, dass es
so klappt. Spontan setzen wir uns zu einer Lemonada ins nächste Beizli
und tauschen News, Infos und Tratsch aus. Die letzten Münzen und Karten
tauschen die Besitzer und schon heisst es wieder Abschied nehmen. Wir
werden die Zwei das nächste Mal in Südamerika sehen, da sie eine andere
Route nehmen als wir.
Guatemala ist ein von fast 40 Jahren
Bürgerkrieg arg gebeuteltes Land. Wie bei jedem Krieg gab es auch hier
ein paar wenige Gewinner und ganz ganz viele Verlierer. Wie so häufig
sind es die Mayas, die alles verloren haben. Die USA haben in diesem
dunklen Kapitel Guatemalas - welches übrigens nur wenige Jahrzehnte her
ist - eine sehr unrühmliche Rolle gespielt und man sollte meinen, dass
die von Zwangsarbeit, Völkermord und Militärherrschaft geprägte indigene
Bevölkerung allen Weissen misstrauisch wenn nicht feindlich gegenüber
steht. Doch überraschenderweise erleben wir entlang der Strasse so viel
Herzlichkeit. Ein Winken, ein Lächeln und die anfangs skeptischen
Gesichter verwandeln sich ins Gegenteil, nicht selten gefolgt von einem
frenetischen Zurückwinken.
Guatemala hat noch einen weiten
Weg vor sich. Wenige Grossgrundbesitzer regieren das Land, der Rest lebt
vorwiegend in Armut. Viele Indigenas können weder lesen noch schreiben
noch beherrschen sie die Landessprache und dies wird sich vermutlich
auch in der nächsten Generation nicht ändern, da noch immer viele Kinder
zum Lebensunterhalt beitragen statt in die Schule zu gehen. Die
Bevölkerung hat das Vertrauen in die korrupten Politiker und das Militär
verloren und mit Jimmy Morales einen Fernsehkomiker zum Präsidenten
gewählt, in der Hoffnung, dass dieser der Korruption und der
Ungerechtigkeit im Land die Stirn bieten kann.
Yaxha
Wie
immer nach einem Grenzübertritt haben wir bereits einen Schlafplatz ins
Auge gefasst, denn wir müssen uns ja zuerst in das neue Land einfinden
und unser „Bauchgefühl“ der neuen Situation anpassen.
Diesmal sind es
die Ruinen von Yaxha. Der Campground liegt am gleichnamigen See und der
Preis dafür ist im Eintritt inbegriffen. Freundlichst werden wir vom
Parkpersonal empfangen und geduldig werden wir auf der Suche nach dem
schönsten Campspot unterstützt. Wir können uns hinstellen wo wir mögen
nur nicht direkt ans Ufer, wegen der Krokodile. Auch Baden ist hier
nicht drin, und das glauben wir sofort, als später eine der genannten
Kreaturen still an uns vorbei zieht. Ganz schön gross die hiesigen
Krokodile. Kampflos überlassen wir ihnen den See und kühlen uns in den kuriosen Outdoor-Duschen ab.
Von hier unten ist der Aufstieg zu den
Ruinen zwar etwas anstrengender, doch wir können hoch und wieder runter zum Camping, wie es
uns gefällt. Und das tut es. Wir sind praktisch die einzigen Besucher und nur zum Sonnenuntergang auf der Hauptpyramide finden sich ein paar
Schaulustige ein. Als Zugabe können wir einen der seltenen Orange-Breast
Hawks beobachten, der sich wohl auch den Sonnenuntergang über der
Lagune nicht entgehen lassen will. Ein Guide informiert uns, dass viele
Vogelliebhaber grosse Anstrengungen unternehmen, um den schönen Vogel
vor die Linse zu kriegen. Für uns posiert er die längste Zeit, so dass
wir fast vergessen, weshalb wir hier hochgekeucht sind.
Tikal und der Peten Izta
Kein
Guatemala ohne Tikal haben wir uns sagen lassen. Eigentlich ist unser
Pyramidenhunger grad mal etwas gestillt, aber die vielen Lobeshymnen
vieler unserer Freunde nehmen uns die Entscheidung ab, soll ja keiner
sagen, wir hätten die Hauptsehenswürdigkeit des Landes nicht gewürdigt.
Den Tag geniessen wir am schönen See Peten Izta, wo wir uns im
10-Minutentakt im lauen Wasser abkühlen. Wir fahren erst am Nachmittag
nach Tikal, weil ab 15.00 Uhr das Ticket auch für den nächsten Tag gilt
und man so bei einer Übernachtung vor Ort nur einmal den nicht ganz
unerheblichen Eintrittspreis bezahlen muss. Ein „Riesentheater“ bereits
17 km vor dem eigentlichen Eingang. Barriere, mit Pumpgun bewaffnetes
Militär, unzählige Tourguides die uns die Sonnenaufgangstour verkaufen
wollen, dazwischen Händler, Marktstände und ein Bankschalter, wo man
gegen Vorweisen des Passes sein persönliches Ticket erwerben kann. Die Sonnenaufgangstour lassen wir uns nicht aufschwatzen. Die Preise sind exorbitant und
dabei kann man morgens in Tikal in der Regel gar keine Sonne sehen
aufgrund des starken Nebels.
Endlich angekommen stellen wir uns in
den Garten des Jaguar Inn Restaurants. Der Platz ist nichts Besonderes,
doch es ist ruhig hier und es lassen sich wunderbar Spidermonkeys und
Tukane in den Baumwipfeln über unseren Köpfen beobachten. Die Hitze und
die Feuchtigkeit hat sich mittlerweile ins unermessliche gesteigert und
keine 10 Pferde bringen uns heute noch in die Anlage, stattdessen hängen
wir wie die toten Fliegen ums Auto rum.
Da das Schlafen bei der
Hitze eh eine Tortur ist, brechen wir früh auf, denn die Anlage ist sehr
weitläufig, obwohl nur ein kleiner Teil zugänglich ist. Es heisst die
Stadt Tikal besteht aus über 10‘000 Gebäuden, die meisten davon werden
vermutlich nie freigelegt werden. Wir haben uns eine Route
zusammengestellt und wandern stundenlang durch den Regenwald. Die Tempel
und Pyramiden sind wahnsinnig eindrücklich doch irgendwann müssen wir
vor der Hitze kapitulieren. Wir packen zusammen und fahren unter
Volleinsatz der Klimaanlage zurück zum See. Wir stellen uns direkt ans
Ufer und geniessen das laue Lüftchen.
Santa Elena
Wir bleiben noch eine
Weile am Peten Izta und quartieren uns im Garten eines Hostels ein,
geniessen den Pool und den wunderbarem Blick über Flores und den See.
Das tropische Klima mit Temperaturen um die 40°C und einer
Luftfeuchtigkeit um 80% macht uns ziemlich fertig und ständig haben wir
das Gefühl uns ausruhen zu müssen, obwohl wir uns nur das absolute
Minimum bewegen. Wir freuen uns aufs Hochland Guatemalas und diese
Motivation lässt uns etwas widerstrebend das Hostel verlassen um weiter
südwärts zu ziehen.
Candelaria
Das nächste Ziel sind die
Karststeinhöhlen von Candelaria. Wir feiern unser einjähriges „on the
road“ mitten in einem tropischen Garten einer Maya Community und
begiessen diesen Meilenstein nicht nur mit eisgekühltem Rosé, sondern
auch mit einem Cavetubing auf dem Rio Candelaria.
Die Höhlen von Lanquin und die Pools von Semuc Champey
Was
auf der Karte wie eine Hauptstrasse aussieht, ist in Wahrheit eine
holprige Schotterstrasse durch die Berge mit teils steilen Abschnitten
und ist der kürzeste Weg nach Lanquin. Da die meisten den Umweg über
Coban wählen, haben wir nur wenig Verkehr unterwegs. Wir übernachten in
Lanquin auf dem Gelände eines Hostels am Fluss, wo wir erstmals in
Kontakt mit der Backpacker-Szene in Guatemala kommen. Es erinnert uns
stark an unsere Backpackerzeit in Asien vor fast 20 Jahren, denn es hat
sich nichts verändert, ausser vielleicht das damals niemand ein Handy
hatte, geschweige denn ein Smartphone ;-) Trotzdem würden wir um nichts
auf der Welt tauschen und wir sind froh, können wir in unserem „Zuhause“
reisen und sind nicht auf die überfüllten Touri-Pickups angewiesen um
von A nach B zu kommen.
Die Höhle von Lanquin an sich ist nicht so
speziell. Da die Beleuchtung ausgefallen ist, erkunden wir einen
winzigen Teil des riesigen Höhlensystems mit den Stirnlampen. Gemeinsam
mit einer Schulklasse aus der „Ciudad“ (Guatemala-City) warten wir auf die Dämmerung, und
das Spektakel, wenn Tausende Fledermäuse aus der Höhle geschossen
kommen. Viel spannender sind allerdings die Mädels der Schulklasse, die
nach anfänglicher Schüchternheit gar nicht aufhören können uns zu
unserer Reise zu löchern und Selfies mit uns zu schiessen. Ich kann mir
das Lachen kaum verkneifen ob Danis hilflosem Blick, der sich vor allzu
vorwitzigen Flirtattacken und Umarmungen zu retten versucht…
Die
Fahrt zu den Pools von Semuc Champey treten wir früh an denn sie soll
recht mühsam sein aufgrund der Strassenverhältnisse. In der Tat werden
wir auf dem steinigen Pfad recht durchgeschüttelt, doch wir haben es ja
nicht eilig und holpern gemütlich durch die grüne, tropische Landschaft.
Wir geniessen die Fahrt auf der Holperstrasse nach der endlosen
Asphaltfahrerei der letzten Wochen. Hier im Tal scheint sich die Hitze
noch mehr zu stauen und wir freuen uns auf ein Bad in den Pools. Doch
zuvor möchten wir den berühmten Blickwinkel runter auf den Fluss mit
eigenen Augen sehen und kämpfen uns den steilen, mit Treppen und Leitern
versetzten Pfad hoch zum Mirador. Wir haben einen schlechten Zeitpunkt
gewählt, denn gerade ist eine Busladung Israelischer Backpacker
angekommen mit demselben Ziel. Gnadenlos blockieren sie die
Aussichtsplattform und scheinen diese in nächster Zeit auch nicht für
andere Besucher freigeben zu wollen, doch wir finden einen anderen Platz
wo man den atemberaubenden Blick noch besser geniessen kann.
Tatsächlich ist das wohlverdiente Bad herrlich erfrischend. Der Fluss
fliesst hier teils unterirdisch und teils oberirdisch durch eben diese
Pools. Die Farben und die Landschaft sind einzigartig und wir geniessen
den magischen Ort, sitzen im Wasser und lassen uns von den
Putzerfischchen anknabbern. Wir campen auf dem Grundstück einer Maya
Familie direkt am Fluss. Die Kinder, gar nicht scheu, versuchen uns
Früchte und Schokolade zu verkaufen und wir sind beeindruckt, wie viele
Worte von verschiedenen Sprachen sie hier um die Touristen herum
aufgeschnappt haben. Tatsächlich ist die hausgemachte Schokolade sehr
köstlich und von der Familie erfahren wir so einiges über den
Kakaoanbau. Die Verständigung macht spass, denn abgesehen von den
Kindern spricht der Rest der Familie etwa gleich rudimentär Spanisch wie
wir und wir verständigen uns mit vielen Gesten und entsprechender
Mimik, was zu viel Gelächter auf beiden Seiten führt. Wir geniessen den
Kontakt mit den Indigenas ungemein, denn sie begegnen uns mit ungeheurer
Herzlichkeit! Nach anfänglicher Zurückhaltung siegt die Neugier und
während die Kinder ausgelassen mit mir im Fluss plantschen gucken die
Damen des Hauses beim Kochen in aller Selbstverständlichkeit in Danis
Kochtöpfe.
Lago Atitlan, San Antonio
Für unseren
Geschmack haben wir nun echt genug gelitten unter der Hitze und so
fällt unsere Fahrt südwärts etwas schneller aus als geplant. Die Gegend
rund um Coban gefällt uns sehr gut, doch Richtung Lago Atitlan wird es
öder, trockener, und der Verkehr nimmt merklich zu. Es ist das
Wochenende vor der „Semana Santa“ der heiligen Osterwoche und es
scheint, als ob gerade alles auf der Strasse wäre, um sich über die
Ferienwoche einen Platz am See oder an der Küste zu sichern. Was kein
Auto hat fährt Chickenbus, wie die Lokalbusse hier genannt werden. Die
meist kunstvoll lackierten und dekorierten Schulbusse beherrschen hier
die Strasse und nicht selten kommen sie halsbrecherisch aus den Kurven
geschossen. So macht fahren keinen Spass, und die Staus um
Chichicastenago und Panajachel rauben uns den letzten Nerv. Auch wir
wollen zum See, wir treffen uns in San Antonio mit Freunden aus der
Schweiz, die für drei Monate in Zentralamerika unterwegs sind und in San
Antonio ein Hotel reserviert haben.
Auch wir haben vorgängig im
selben Hotel reserviert und uns wurde ein Platz zugesichert, wo wir
sicher und ruhig im Auto schlafen können. Das kleine Dorf ist steil in
den Hang gebaut und bietet ausser einer kleinen Promenade am See nicht
viel. Das Hotel gefällt uns gut doch fragen wir uns, wo unser Auto
stehen soll denn alles ist eng verschachtelt. Tatsächlich fällt uns
schier die Kinnlade runter als wir unseren „Parkplatz“ sehen. Wir stehen
auf dem Privatgrundstück des Besitzers in einer Baustelle, gerade mal
so gross dass wir nach etwas Zirkeln das Dach öffnen können und uns
seitlich zwischen Tico und Betonpfeilern durchquetschen können. Tja,
hätten wir nicht abgemacht, wären wir wohl gleich weitergefahren, aber
das sind halt die Kompromisse, die man manchmal eingehen muss. Nicht
desto trotz verbringen wir einen schönen Abend mit unseren Freunden und
tauschen Infos und Neuigkeiten aus, denn sie werden genau die Strecke
weiterfahren, aus welcher wir gekommen sind. Wir verbringen eine
erstaunlich ruhige Nacht auf unserer Baustelle abgesehen vom
familieneigenen Pfau, der es sich über unserem Auto gemütlich gemacht
hat und bereits frühmorgens überaus motiviert und lautstark den Job des
Hahns übernommen hat, grrhh…
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns
bereits wieder, hoffen aber, uns in ein paar Tagen auf der anderen
Seite des Sees wieder zusehen.
Ungeplante Begleitung
Wir gedenken
südlich um den Lago Atitlan zu fahren, um dem Osterstau rund um
Panajachel aus dem Weg gehen zu können. Der Kratersee ist von sieben Vulkanen
umgeben und so bieten sich natürlich grandiose Ausblicke. Laut
iOverlander soll es in der Vergangenheit Zwischenfälle auf der Strasse
nach San Pedro gegeben haben, drum halten wir in Santiago Atitlan kurz
an der Polizeistation, um uns nach der Aktualität dieser Meldungen zu
erkundigen. Die freundlichen Polizisten nicken ernst und meinen, wir
können auf gar keinen Fall alleine die Bergstrasse befahren. Nach
einigen Telefonaten wird uns mitgeteilt, dass wir an der nächsten
Tankstelle auf eine Patrouille treffen, die uns auf diesem Abschnitt
begleiten wird. Tatsächlich stehen an der besagten Tankstelle drei
junge, bis an die Zähne bewaffnete Polizisten und winken uns fröhlich
zu. Wie sich dann aber herausstellt, haben die drei nicht vor, uns in
einem Fahrzeug zu begleiten, nein, sie wollen gleich bei uns mitfahren.
So setzen wir den am grimmigsten schauenden Polizisten auf den
Beifahrersitz, während ich mich mit den zwei anderen hinten auf die enge
Bank quetsche. Es erscheint ein lokaler Pickup, welchem wir folgen
sollen und los geht die Fahrt. Bald wird uns klar, warum sich dieser
Abschnitt so gut für Überfälle eignet, die Naturstrasse ist in einem
schlechten Zustand, sehr staubig und ungeheuer steil. Die Polizisten
erklären uns, dass hier Wegelagerer Steine auf die Fahrbahn legen sobald
sie ein ausländisches oder sonst wie vielversprechendes Fahrzeug
erspähen, so dass der Fahrer anhalten und aussteigen muss und so den
bewaffneten Räubern hilflos ausgeliefert ist. Ich kann nichts sehen
hinten in der Kabine weil wir im dichten Staub des Pickups fahren. Dani
wurde angehalten, möglichst dicht aufzufahren, damit wir im Staub nicht
gesehen werden. Mein etwas mulmiges Gefühl steigert sich zusätzlich, als
wir am Strassenrand eine Familie vor einem Wagen mit eingeschlagener
Scheibe sehen, unsere Begleiter informieren uns, dass hier immer wieder
Überfälle geschehen und dass sich leider nur sehr wenige Touristen
vorgängig bei der Polizei informieren so wie wir es getan haben. Meinen
Begleitern scheint die Holperfahrt und die engen Platzverhältnisse
nichts auszumachen und fragen mich munter zu unserer Reise und zu der
Schweiz aus. Ob es da sicherer sei und ob es auch so viele Waffen gäbe.
Ich erkläre ihnen die merkwürdige Angewohnheit mancher Schweizer, ihr
Sturmgewehr hinter der Schlafzimmertür aufzubewahren und die Beamten
nicken ernst und meinen, ja, das wäre schon richtig so, ein Mann müsse
schliesslich seine Familie beschützen…
Kaum über der Kuppe erreichen
wir Asphalt vom Feinsten und die Polizisten bitten zum Anhalten. Nach
den obligaten Selfies mit stolz präsentierten Gewehren verabschieden sie
sich herzlich und informieren uns, dass der Pickup uns sicher nach San
Pedro geleiten würde. Danach marschieren sie - wiederum fröhlich winkend
- zurück. Wir müssen uns erst ein wenig erholen von diesem Erlebnis und
Dani meint, sein Beifahrer hätte ihn schon etwas nervös gemacht mit der
gezogenen und schussbereiten Waffe im Anschlag…
Die freundliche
Begegnung wird etwas gedämpft durch die Erkenntnis, dass Guatemala trotz
all unserer guten Erfahrungen nicht zu den sichersten Ländern gehört
und wir nehmen uns vor, weiterhin die Augen offen zu halten und uns auf
unser Bauchgefühl und Menschenverstand zu verlassen.
Der weitere Weg nach San Marcos verläuft ohne Zwischenfälle und bald haben wir den tollen Campplatz Pasaj Cap erreicht, wo wir bald erfahren sollten, dass die besagte Strasse hier gemeinhin „Bandito Road“ genannt wird.
Lago Atitlan - San Marcos
Wir sind nicht die ersten Gäste, die länger in Pasaj Cap
verweilen als geplant. Das Resort des Franzosen Pierre liegt direkt am
See und obwohl er hauptsächlich auf luxuriöse Appartements und
Bungalows setzt, bietet er eine grosszügige Infrastruktur für Overlander
an, da er immer gerne Reisende und ihre Geschichten kennenlernt. Für
uns ist es ein idealer Platz, die geschäftige Osterwoche auszusitzen und
uns in einer schönen Umgebung einige Tage Ferien und Entspannung zu
gönnen. Zudem trifft man hier auf Overlander aus aller Welt und es
werden so manche Geschichten ausgetauscht beim Barbeque unter der
schönen Palapa. Die Zeit vergeht mal wieder wie im Flug und unsere
anfänglichen Gedanken, es könnte uns langweilig werden ändern sich bald
zu Bedenken, dass wir nicht alles erledigen können, was wir uns für
diese Woche vorgenommen haben. So erfolgt der längst überfällige
Frühjahrsputz, die Wäsche muss gewaschen werden und der Kühlschrank repariert. Der Platz hier eignet sich zudem für Bootsausflüge in andere
Dörfer am See, wo wir uns entspannt zu Fuss die zahlreichen
Osterprozessionen ansehen können. Unter Gesängen und Weihrauchdämpfen
werden gewaltige Plattformen mit Statuen über kunstvolle Teppiche aus
Blumen und farbigem Sand getragen, wirklich ein unglaubliches Spektakel.
Die
schönsten dieser Prozessionen finden in Antigua statt, doch diese Stadt
ist in der Semana Santa kein guter Platz für Overlander, zumal alle
Unterkünfte eh bereits Wochen vorher ausgebucht sind.
Wir geniessen
die Zeit und das süsse Nichtstun, doch nach sagenhaften 10 (!) Tagen
zieht dann das unterschwellige Kribbeln wieder auf und wir freuen uns,
weiter zu ziehen, bevor wir uns hier allzu heimisch fühlen.
Westliches Hochland
Wir ziehen einen
Bogen durch das westliche Hochland. Keuchend, stotternd und rauchend
kämpft sich Tico über den 3000 Meter hohen Pass nach Xelatenango. Was in
Mexico so locker flockig ging, ist hier aufgrund des - für uns -
schlechten Diesels eine knorzige Angelegenheit. Auch sonst ist die
Gegend kein Highlight. Abgeholzte Hügel soweit das Auge reicht. Über der
ganzen Gegend liegt ein Dunst, keine Ahnung ob dies vom Wetter, Smog
oder den unzähligen Feuern kommt, mit welchen der Abfall verbrannt wird.
Abfall ist das Stichwort, noch nie haben wir so viel Müll entlang der
Strasse gesehen. Überall hängen die Plastiktüten, alle paar Meter ein
Abfallfeuer welches die Luft verpestet und viele Hänge entlang der
Strasse dienen der Entsorgung im grossen Stil. Wir finden das sehr sehr
schade, daran werden wir uns bestimmt nie gewöhnen. Auf der anderen
Seite fordert der Verkehr unsere ganze Aufmerksamkeit. Die Blinker
verkommen zur nutzlosen Zierde, Aufmerksamkeit erreicht man lediglich
mit lautstarkem und inflationären Hupen in Kombination mit
entsprechenden Handzeichen, wo auch ich ins Spiel komme. Zurückhaltung
ist lediglich im Umgang mit den bereits erwähnten Chicken Bussen
gefragt. Diese werden auch hier ausnahmslos von jungen Schumis gefahren
und rücksichtlos durch die Strassen gepeitscht. Überholt wird wo Platz
ist, der Gegenverkehr wird komplett ausgeblendet und auch
unübersichtliche Bergstrecken eignen sich hervorragend für
halsbrecherische Manöver ganz im Fast & Furious-Style. Dies alles
strapaziert unsere Nerven doch ein wenig und hätten wir keinen Termin
in Huehuetenango würden wir gleich wieder rechts um kehrt machen und
direkt nach Antigua fahren. Doch wir treffen in Hue Miguel. Über sieben
Ecken bekannt, hat er sich bereit erklärt, eine Sendung Strassenkarten
entgegen zu nehmen, die wir online in Deutschland bestellt haben. Da
sich die Kommunikation mit Miguel gelinde gesagt etwas mühsam gestaltet,
fahren wir einfach mal hoch nach Hue, in der Hoffnung, dass die Sendung
nach mittlerweile 3 Wochen angekommen ist. Miguel freut sich in der Tat
sehr dass wir da sind, hat aber keine Ahnung wo die Sendung ist. Auf
der gemeinsamen Suche nach der Hauptpost enden wir genau dort wo wir
nicht wollten, nämlich in der Innenstadt der engen und verkehrsreichen
Grossstadt, nur um herauszufinden, dass die Poststelle schon vor Monaten
ihren Dienst eingestellt hat. Lustigerweise wohnt Miguel gleich um die
Ecke - dass die Post nicht mehr in Betrieb ist, hat er allerdings noch
nicht bemerkt. Auf Danis Frage, ob ihm denn nicht aufgefallen wäre dass
er gar keine Post mehr bekäme zuckt Miguel nur grinsend mit den
Schultern, ein lustiger Kauz. Nach dieser Pleite buchen wir die Aktion
„Karten online“ unter die Rubrik Pleiten, Pech und Pannen und verlassen
die Stadt fluchtartig…
Chichicastenago
In „Chichi“ findet
zweimal die Woche ein riesiger Markt statt. Von weither kommen die
Indigenas angereist, um hier einzukaufen und ihre Ware an den Mann zu
bringen. Zeitlich passt uns dies gerade wunderbar, so dass wir uns am
Mittwoch Nachmittag auf einem Parkplatz mit Familienanschluss
einquartieren. Wie überall sind auch hier die Leute unglaublich
freundlich und zuvorkommend, nicht selten fühlt man sich wie ein guter
Freund den man schon lange nicht mehr gesehen hat. Am Abend schlendern
wir durch das Dorf und sehen zu, wie die Stände aufgebaut werden. Schon
jetzt herrscht ein emsiges Treiben, und der Tacostand, der leckere
Gringas serviert, macht bereits guten Umsatz. Am nächsten Morgen sind
wir früh auf den Beinen, wir wollen den Markt vor den Touristenmassen
sehen. Tatsächlich kommen auch diese bei den vielen Kunsthandwerkständen
voll auf ihre Kosten. Obwohl es viel zu sehen und zu bestaunen gibt,
vermissen wir etwas Lokalflair. Vielleicht liegt es auch einfach an der
Grösse: die endlosen Gänge mit Dutzenden von Ständen die alle dieselben
Stoffe oder T-Shirts verkaufen sind auf Dauer doch etwas ermüdend. Wir
ruhen uns auf den Treppen der Kirche aus und beobachten die Mayas bei
ihren Ritualen und Zeremonien. Die Kirche wurde auf dem Fundament eines
Maya-Tempels erbaut wobei die Treppen noch original sind und daher für
die Mayas noch immer ein heiliger Ort. Wir geniessen den Anblick der
schönen Trachten, denn wenn wir das Hochland verlassen, verschwindet
auch diese herrliche Tradition und weicht einer moderneren Lebensweise.
Antigua
Antigua - die Schöne - wie die
Kolonialstadt gerne genannt wird. Einst Hauptstadt von ganz
Zentralamerika, war ihr Reichtum unermesslich, was sich in grandiosen
Bauwerken zeigte, vornehmlich natürlich Kirchen und Klöster, und die gab
es zu dieser Zeit zahlreich. Insbesondere in den Nonnenklöstern ging es
alles andere als fromm zu und die Töchter aus gutem Hause besassen jede
Menge Prunk, Bedienstete und Einfluss. Ein gewaltiges Erdbeben
zerstörte die Stadt 1773 komplett und durch die Abwanderung und die
Verlegung der Hauptstadt nach Guatamala City fehlte es an Geld und
Manpower um die Bauwerke wieder in Stand zu stellen. Weitere grosse
Erdbeben folgten wovon heute die zahlreichen Ruinen zeugen, die wie
Mahnmale zwischen den aufwändig renovierten und farbigen Kolonialhäusern
stehen.
Wie alle anderen Overlander auch stellen wir uns auf das
grosszügige Gelände der Touristenpolizei welches sich praktischerweise
sehr zentrumsnah befindet. Von hier aus können die zahlreichen
Sehenswürdigkeiten, wie auch die Gran Plaza und viele hübsche Cafés und
Restaurants bequem zu Fuss erreicht werden. Antigua ist voller
versteckter Schönheiten. Ein Blick durch ein offenes Tor offenbart
wunderschöne Patios, altes Gemäuer beherbergt moderne Restaurants oder
Hotellobbys, in dieser Stadt wird das Shoppen zum Erlebnis nur schon
beim Betreten der originellen Boutiquen und Cafés.
Auch abends
strahlt die Stadt ihren besonderen Charme aus und es fällt schwer, sich
zwischen den zahlreichen Restaurants zu entscheiden, denn von
europäischer über asiatischer bis hin zur traditionell einheimischen
Küche gibt es in Antigua einfach alles. Gemeinsam mit unserem
zwischenzeitlich auch eingetroffenen Lieblingsitaliener René geniessen
wir das Ambiente auf der Dachterrasse des „Luna de Miel“ probieren
exotische Crèpes und stossen mit einem Brahva auf vergangene und
zukünftige Abenteuer an.
Wir geniessen das Flair der Stadt, obwohl
sie so ganz anders tickt als der Rest Guatemalas. Richtig gut gefallen
hat uns zudem der grosse Markt am Samstag, hier erleben wir eine
Authentizität, wie wir sie in Chichi vermisst haben.
Nach drei Tagen nehmen wir Abschied von der schönen Stadt und den neuen und alten Bekannten auf dem Campareal...
Pacaya
Letzter Punkt auf unserer
Guatemala Bucket List: Besteigen eines Vulkans. Wir entscheiden uns für
den zwar nicht so hohen, dafür aktiven Volcan Pacaya.
Auf dem
Parkplatz dürfen wir kostenlos campen und uns beim Nationalparkpersonal
über die Vulkanbesteigung informieren. Da der Pacaya zur Zeit sehr aktiv
ist, werden keine Touren zum Gipfel angeboten sondern nur zum äusseren
Krater, von wo man den Vulkan wie auch die Lavaströme besonders gut
sehen kann. Dani ist etwas enttäuscht dass man nicht hoch kann und wir
überlegen uns Alternativen. Mittlerweile hat der allgegenwärtige Dunst
derart zugenommen, dass eine Wanderung keinen Sinn macht und wir machen
uns einen gemütlichen Nachmittag.
Spät abends muss Dani noch zu einer
4x4 Rettungsaktion aufbrechen, da ein ziemlich übermotivierter Jeep
Fahrer im Dunkeln den Weg verfehlt hat und ums Haar einen Abhang runter
gestürzt wäre. Mit vereinten Kräften wird das Fahrzeug wieder auf festen
Boden gestellt und der Fahrer zieht ziemlich kleinlaut dankend von
dannen.
Am nächsten Morgen laufen wir schon um 06.00 Uhr los, da die
Sicht am morgen früh in der Regel am besten ist. Um dieser Zeit hats
weder Guides noch Pferdeführer die uns bestürmen und wir haben den Berg
für uns alleine. Wir laufen entlang von Lavafeldern mit bestem Blick auf
den rauchenden Vulkan, dessen Zischlaute - ähnlich einem
Heissluftballon - uns bereits die ganze Nacht irritiert haben. Wir
laufen über heisse Erde und vorbei an dampfenden Löchern, wo Touristen
gerne Marshmallows an Spiessen schmoren. Die Lavaströme sind sehr
eindrücklich und reichen tief ins Tal. Im Lavashop bestaunen wir die
Kunstwerke, die zwei Mayas aus einfachen Lavasteinen und
Kokosnussschalen herstellen und halten ein interessantes Schwätzchen
über ihre Arbeit, den Ort und das Reisen als solches.
Die Wanderung
war sehr schön, auch wenn Dani gerne ganz nach oben geklettert wäre. Für
einmal hat jedoch die Vernunft gesiegt und auf unserer Reise entlang
des Vulkangürtels Mittelamerikas gibt sich bestimmt noch einmal die
Gelegenheit ganz oben auf einem Krater zu stehen.
Nach einem
Kurzbesuch in die Agglomeration Guatemala City geht unser Weg
unweigerlich Richtung El Salvador. Mittlerweile haben wir recht an Höhe
verloren und die Hitze und Feuchtigkeit hat uns wieder fest im Griff.
Kurz vor der Grenze bleiben wir bei einem Restaurant mit Pool und
Duschen, so ist die Hitze durchaus aushaltbar. Nach einer weiteren
Tropennacht nehmen wir die letzten Kilometer unter die Räder, wir freuen
uns auf El Salvador!