Mexico 5 - Zentrales Hochland Teil 2
Guanajuato
Tiefenentspannt nach der
Auszeit bei Charly sind wir bereit für die nächste Kolonialstadt:
Guanajuato. Auch diese Stadt ist durch die üppigen Silbervorkommen zu
Reichtum gekommen. Das Spezielle an Guanajuato ist, dass durch die
rasante Entwicklung der Stadt das Tal innert kürzester Zeit zu klein
wurde und dadurch die Häuser bis hoch in die Berghänge gebaut wurden.
Ausserdem wurde der Fluss umgeleitet, weil er durch wiederholte
Überschwemmungen grosse Schäden verursacht hat. Heute wird der Verkehr
unterirdisch durch das ehemalige Flussbett geleitet (genannt
Subterranea), zusammen mit den zahlreichen Minenstollen unter der Stadt
ergibt dies heute ein gewaltiges unterirdisches Labyrinth mit
unzähligen Ein- und Ausfahrten, Sackgassen und Treppen.
Wir haben aus
Zacatecas unsere Lehren gezogen. Um nicht versehentlich in dieser
Unterwelt zu landen, navigiere ich Dani konzentriert durch die engen,
verwinkelten Gassen, während er versucht, möglichst elegant jedem der
zahlreichen Hindernisse auf dem Weg auszuweichen, die sich in Form von
Fussgängern, Hunden, Ziegen oder Strassenverkäufern suizidal vor unseren
Bullbar werfen. Doch wir erreichen den „Camping“ - wenn man den
Parkplatz in den „Favelas“ am gegenüberliegenden Hang denn als solchen
bezeichnen will - problemlos, zufrieden, dass wir als Team doch noch
funktionieren, wenns denn drauf ankommt.
Für heute reichts jedoch mit
Aufregung, und nach einer Flasche eiskaltem Rosé und einem herrlichen
Apero mit Käse, Speck und Brot aus Charlys Schatzkammer, beschliessen
wir, den Stadtbummel auf den nächsten Tag zu verschieben.
Am nächsten
Morgen ziehen wir los, mit GPS und Tablet bewaffnet geht’s auf
Erkundungstour - das Fiasko Zacatecas soll sich heute schliesslich
nicht wiederholen. Zu Fuss sind die Tunnels und Unterführungen auch viel
entspannter und wir geniessen die pulsierende Innenstadt mit ihren
vielen Geschäften, Märkten und Menschen. Als erstes fahren wir mit der
Zahnradbad hoch zum Pipila-Denkmal. Dem Retter der Stadt zu
Zeiten des mexikanischen Unabhängigkeitskrieges hat man hoch auf dem
Hügel ein gigantisches Denkmal gesetzt. Mehr als der genannte Herr
interessiert uns allerdings der fantastische Blick über die
ungewöhnliche Stadt. In einem mehr als rustikalen Café sitzen wir auf
der Dachterrasse, trinken erstaunlich guten Espresso (der Besitzer ist
Italiener) und planen den heutigen Tag. Danach spazieren wir durch die
engen Gässchen wieder runter in die Altstadt und kommen uns dabei fast
ein wenig vor wie in der Basler Innenstadt. Natürlich kommen wir auch am
Callejon de Beso, dem Kussgässchen vorbei, wo sich verliebte
Paare auf der 3. Treppenstufe innig küssen, was sieben Jahre Glück
bringen soll. Die Legende besagt dass ein Junge sich unsterblich in ein
Mädchen eines höheren Standes verliebt haben soll, aber da ihr Vater die
Verbindung nicht tolerierte, hat sich der Junge die Wohnung auf der
gegenüberliegenden Seite der Gasse gemietet. Da sich die Balkone fast
berühren, konnten sie sich so nah sein. Natürlich blieb das Unterfangen
nicht unbemerkt und die Geschichte nahm kein gutes Ende. Vermutlich hat
sich der Junge ein Mädel seines Stand erwählt und das Mädchen ist als
vergrämte Jungfrau gestorben, oder so… auf jeden Fall ist es lustig,
all den verliebten Paaren zuzusehen, die versuchen, sich gleichzeitig zu
küssen und das perfekte Selfie zu schiessen.
Auf unserer Tour
besuchen wir das bekannte Theater Juarez, unzählige Kirchen und
Kolonialbauten, die Markthalle und diverse Boutiquen, da ich unbedingt
meine langsam etwas farblose Kleidung aufpeppen muss. Wir finden in
einer Seitenstrasse richtig leckere Pizza und essen in einer anderen
Tacos frisch vom Herd. Am Nachmittag erklimmen wir die Stufen zum
Friedhofshügel. Nein, wir suchen uns nicht unsere letzte Ruhestätte aus,
im Gegenteil, wir wollen zu den Mumien. In Guanajuato werden die Toten
nicht in der Erde, sondern in einer Art „Betonschublade“ bestattet
(siehe Fotos). Aufgrund fehlender Feuchtigkeit werden die Toten nach
Ablauf der bezahlten „Standgebühren“ praktisch unverwest, de facto als
Mumien, wieder hervorgeholt. Aus diesem Umstand ist dann das
Mumienmuseum entstanden, wo einige dieser Exemplare mitsamt ihrer
ursprünglichen, zum Teil noch gut erhaltenen Kleidung ausgestellt
werden. Die Geschichte ist aber schon ziemlich grotesk, vor allem die Babyabteilung! Wir wissen nicht so genau, was
wir von dieser doch sehr makabren Zurschaustellung Verstorbener
halten sollen und haben uns deshalb entschieden, hier keine Fotos zu posten.
Der
Rückweg gestaltet sich dann doch noch etwas länger als erwartet und
ziemlich erledigt kommen wir wieder auf unserem Parkplatz an. Das
heisst eigentlich Dani, denn ich lege noch einen Stop beim Coiffeur ein.
Den ganzen Tag schon habe ich Ausschau gehalten nach einem geeigneten
Exemplar, doch entweder sah der „Salon“ zu schmuddelig aus oder zu
teuer, entweder waren gar keine Leute drin - auch kein gutes Zeichen -
oder es hatte bereits zu viele Wartende. Das geeignete Exemplar
befindet sich in einer Art Garage an der Ecke und die Coiffeuse ist mir
sympathisch, vielleicht auch weil sie eine richtige Coiffeurschere in
der Hand halten kann. So marschiert Dani alleine zum Auto hoch und ich
setze mich in den Plastikstuhl und warte darauf, dass ich an der Reihe
bin. Es wird mir nicht langweilig, im Fernseher läuft eine Telenovela -
die Schnulzserien scheinen in Mexico Männer, Frauen und Kinder
gleichermassen zu begeistern. So versuche ich der Handlung zu folgen,
während ich gleichzeitig aufpassen muss, dass die Kleinkinder des Hauses
ihre Eiscremefinger nicht an meinen Hosen abwischen, sie scheinen
ungemein Gefallen an mir zu finden. Derweil schaut auch die Coiffeuse
mit einem Auge immer wieder hoch zum Fernseher und seufzt laut im Duett
mit ihrer Kundin, als sich der männliche Protagonist mit der Föhnfrisur
tränenreich von seiner Liebsten verabschiedet, vermutlich um in den
Krieg zu ziehen oder etwas ähnlich dramatisches zu vollbringen…
Schliesslich
bin ich an der Reihe und setze mich vor den trüben Spiegel. Verbunden
durch die Telenovela lasse ich der Coiffeure vertrauensvoll freie Hand
man ist ja auf der selben Wellenlänge. Nach der dramatischen
Abschiedsszene ist sie vermutlich eh nicht im Stand, irgendwelche
Anweisungen von mir entgegen zu nehmen. Aber es kommt alles gut, 20
Minuten später und mit ungefähr 20 cm kürzeren Haaren verlasse ich die
Garage wieder. Zum Abschied drückt sie mich noch kurz, ob nun wegen des
grosszügigen Trinkgelds oder durch die Verbundenheit durch die
Telenovela ist eigentlich egal. So eile auch ich beflügelt den Berg hoch
zum Parkplatz und überlege mir fieberhaft, wie ich Dani auf den neuen
Haarschnitt vorbereiten kann, denn der Hauptprotagonist in meinem Leben hat ja so gar keinen Sinn für
Telenovelas.
San Miquel de Allende
SMA wie die Amis „ihr“ Kolonialstädtchen nennen, ist unser nächstes Ziel. Auf dem hiesigen Campingplatz warten bereits die „Flizzers“ Nadine & Patrick auf uns. Leider haben wir Elvira & Ruedi, sowie Jeannette & Tinu
knapp verpasst. Die letzteren bereisen die Panamericana nämlich von Süd nach
Nord und hätten uns sicher viel zu berichten gehabt, jää nu, es zeigt
sich einfach mal wieder, dass man nicht immer überall gleichzeitig sein
kann, auch wenn man eigentlich genug Zeit hätte...
Der Camping ist
eigentlich eine Tennisanlage mit Parkplätzen. Auch wenn das etwas
anrüchige Gestöhne von nebenan zeitweise etwas nervig ist, ist die Lage
super und die Nasszellen sauber und schön gemacht und das Internet
zügig, was will man mehr. Während die „Flizzers“ zu ihrer Tennisstunde
aufbrechen, machen wir uns auf ins Städtchen. „Man spricht englisch“ ist
die Devise und auf den Strassen tummeln sich mehr Amis und Kanadier als
Mexikaner. Doch das Städtchen gefällt uns. Es hat viele schön
restaurierte Gebäude, tolle Kunstgalerien und Shops mit Handwerk. Wir
stöbern durch die Auslagen und müssen uns arg zurückhalten nichts zu
kaufen, wohin mit dem ganzen Zeugs? Schlussendlich kaufen wir nur ein
paar gaaaanz kleine Dinge, die sich gut irgendwo verstauen lassen.
Am Zocalo steht die gewaltige Kirche und es hat ein paar gemütliche
Cafés, wo man herrlich ausruhen und die Menschen beobachten kann.
Am
Abend gehen wir zu viert nochmal in die Stadt, uns wurde ein
Thai-Restaurant empfohlen. Welch ein Genuss nach den ewigen Tacos, es
schmeckt vorzüglich und wir schlagen alle so richtig zu. Ob es an der
Menge liegt oder daran, dass wir nicht mehr an solches Essen gewöhnt
sind, auf jeden Fall haben wir danach alle etwas einen schweren Bauch
und so geht’s bald ab ins Bett. Den geplanten Spieleabend verschieben
wir wohl besser auf ein andermal.
Grutas de Tolantongo
Am nächsten
Morgen fahren wir früh los. Erst machen wir einen grossen
Supermarkt unsicher und freuen uns, endlich wieder mal richtig guten
Kaffee zu finden, frisch gemahlen und aromatisch im Geruch. Kein
Vergleich zu den „Americano-Mischungen“ die es sonst zu kaufen gibt. Als
dann endlich all die Einkäufe irgendwo verstaut sind, fahren wir hoch
in die Hügel. Die Grutas de Tolantongo rufen laut nach uns. Inmitten von
Bergen liegen sie tief in einem Tal die Grotten, gespiesen von einer
heissen Quelle, genau das was wir jetzt brauchen. Schon einige Kilometer
davor reiht sich am Strassenrand ein Geschäft neben das andere, und
alle verkaufen sie dasselbe: Schwimmschuhe, Badekleidung, Schwimmhilfen
und -brillen. Das kann ja heiter werden! Wir wurden gewarnt, den Ort ja
nicht am Sonntag aufzusuchen. Obwohl die Grutas noch in keinem uns
bekannten Reiseführer erscheinen, sind sie unter Mexikanern kein
Geheimtipp und offenbar entwickelt sich der Ort zu einer wahren
Pilgerstätte aufs Wochenende. Wir sind mal gespannt was uns jetzt zum
Wochenstart erwartet…
Über unzählige Haarnadelkurven geht’s runter in
die Schlucht, auf halbem Weg steht die Taquilla, das Kassenhäuschen.
600 Pesos soll der Eintritt kosten. Verwundert erwidern wir, dass wir
nur eine Nacht campen wollen, doch der geduldige Señor erklärt uns, dass
wir je 300 Pesos für die Tage bezahlen, nicht die Nächte. Da es bereits
fortgeschrittener Nachmittag ist, sind wir damit nicht einverstanden,
und nach etwas Erklären und Handeln bezahlen wir schliesslich nur die
Hälfte. Manchmal ist es eben schon gut, wenn man der Sprache zumindest
rudimentär mächtig ist ;-)
Unten auf dem Parkplatz warten bereits
Nadine & Patrick auf uns. Wir suchen uns ein lauschiges Plätzchen
unter Bäumen direkt am warmen Fluss, tatsächlich sind wir völlig
alleine. Der Fluss wurde alle paar Meter aufgestaut, so dass sich viele
kleine Pools bilden. Wir stürzen uns hinein und geniessen das wohlige
Nass.
Heute Abend wollen wir die letzten Charly-Würste auf den Grill
hauen. Während sich die Jungs um ein ordentliches Lagerfeuer kümmern,
schauen wir Mädels für die Beilagen. Was für ein schöner Abend! Gerade
als wir uns zur Phase 10-Revanche rüsten, kommt ein Wachmann vorbei um
unsere Tickets zu kontrollieren. Dass wir für heute kein Ticket
vorweisen können, passt ihm gar nicht, aber so genau haben wir das nicht
verstanden und schauen ihn bloss verständnislos an. Schliesslich
entscheidet er, dass es zu mühsam ist mit uns zu kommunizieren und zieht
murmelnd von dannen, nicht ohne uns wiederholt darauf hingewiesen zu
haben, dass wir morgen um 19.00 Uhr verschwunden sein müssen. Tja, man
lernt langsam, wann man spanisch sprechen soll, und wann besser nicht
;-)
Am nächsten Morgen erkunden wir die Grotte. Bevor man allerdings
das heisse Wasser geniessen kann, muss man erst unter dem eiskalten
Wasserfall durch, so richtig kneippmässig. Die Grotte ist herrlich, das
heisse Wasser kommt direkt aus dem Fels so dass die ganze Grotte dampft.
Leider sind wir nicht ganz alleine hier, nebst ein paar mexikanischen
Familien hat es einige Pärchen, die in den dunklen Nischen kuscheln, ach
ja, es ist ja Valentinstag! Es gibt auch noch einen Tunnel zu erkunden,
aber ohne Taschenlampen ist uns das zu mühsam. Gegen Mittag wandern wir
weiter zu den Pozzas, künstlich angelegte Pools direkt im Hang die auch
von heissem Wasser gespiessen werden. Die Aussicht ist toll, die Pools
gemütlich, wir verbringen den halben Nachmittag dort und quatschen über
Gott und die Welt. Den restlichen Nachmittag verbringen wir mit Kuchen
backen und im Fluss rumliegen, bis es dann Zeit wird, zusammenzupacken.
Wir fahren nur grad hoch bis zum Eingang der Schlucht, wo es grosszügige
Parkplätze hat mit Bäumen und fantastischer Sicht weit über die Hügel.
Gemeinsam kochen wir ein richtig Schweizerisches Chilli con Carne, das
kennen sie nämlich nicht hier diese Mexikaner ;-)
Am nächsten Morgen
ist es Zeit Abschied zu nehmen. Während die „Flizzer“ ihrem Namen alle
Ehre machen und südwärts ziehen, möchten wir uns noch ein wenig hier in
den Hügeln verweilen. Machts gut Lieblingsfreunde und danke für die tolle
Zeit, hoffentlich treffen wir uns bald wieder!
Nationalpark El Chico
Unser Weg führt
uns quer durchs Hochland, auf und ab, durch Hügel und Täler, mal hats
Palmen, mal Kakteen, doch auch viele fruchtbare Täler, wo Landwirtschaft
oft noch mit Pferd und Pflug betrieben wird. Unser Ziel ist der El Chico
Nationalpark, denn er liegt genau auf unserem Weg nach Süden. Gemäss
Reiseführer liegt der Park inmitten von Tannenwäldern, mit schier
unendlichen Wandermöglichkeiten. Wie so oft, erleben wir den Park
ziemlich vernachlässigt. Das Visitor Centre ist leer, keine Ausstellung
wie man das von den Staaten gewohnt ist, Wanderkarten gibt’s keine aber
die Eintrittsgebühr ist schnell gefordert. Nun denn, wer braucht schon
Wanderkarten. Die Campplätze sind leer und haben definitiv schon bessere
Zeiten gesehen. Ueberall liegt Abfall, Beschilderungen fehlen und die
Wanderwege sind teilweise zugewachsen und vermüllt, sehr schade…
trotzdem finden wir einen schönen Platz und kämpfen uns durchs Dickicht
auf einen wunderschönen Aussichtsfelsen, von welchem man das ganze Tal
überblicken kann. Wir besuchen auch das Städtchen Mineral del Monte. Als
hier das Minengeschäft florierte, wurden Minenarbeiter von England,
genauer aus Cornish eingeflogen. Offenbar haben diese den Fussball nach
Mexico gebracht, welcher sich von hier rasant übers Land verbreitet hat
und heute zum Volkssport Nummer 1 geworden ist. Von der Wiege des
„Futbol“ sehen wir im Dorf zwar nichts, jedoch lassen die
allgegenwärtigen „Pastes“ vermuten, dass man hier vermutlich englische
„Pies“ an mexikanische Geschmäcker adaptiert hat.
Das kleine
Städtchen gefällt uns auf jeden Fall und wir machen einen gemütlichen
Spaziergang runter zum Bach, wo wir Ruinen einer alten Mühle entdecken.
Danach setzen wir uns in ein Käffeli, essen tollen Schoggikueche und
beobachten die vielen Menschen, die aus jeder Richtung heranströmen.
Offenbar warten sie auf Lebensmittellieferungen aus der Stadt, so weit
wir das vestanden haben. Leider reicht unser Spanisch nicht aus, um
genaueres in Erfahrung zu bringen und ich nehme mir bestimmt zum
Hundertsten Mal vor, meine Nase wieder etwas mehr ins Babbel-App zu
stecken.
Wir verlassen das schöne Hidalgo. Unser weiterer Weg führt
uns unweigerlich Richtung Hauptstadt, Mexico City. Nach der Erholung in
der Natur freuen wir uns auf Pyramiden, Tempelruinen und sonstige Zeugen
aus präkolumbianischen Zeiten, die es im Süden Mexicos - im wahrsten
Sinne des Wortes - zu Hauf gibt ;-)
Wir sind auf jeden Fall gespannt!