Wildes Sardinien 2022
Der Norden
Sardinien – Sonne, traumhafte Strände, smaragdfarbenes Meer, sardische Spezialitäten und Korkeichen… auf der anderen Seite wilde Natur, Einsamkeit, Offroadspass und Orangen direkt vom Baum… tja, ersteres kennt man aus dem Reisebüroprospekt, zweites kenn ich von Danis Erzählungen aus seinen Endurozeiten – natürlich ausserhalb der Saison, nämlich jetzt wenn die Insel im Winterschlaf ist. Das passt uns sogar sehr, denn wir brauchen grad nicht die Badetuchschlacht am Strand sondern eher die Entschleunigung in der Natur…
So brechen wir denn auf, frisch geboostert, getestet und mit jede Menge Dokumente und Hygienematerial versehen, in unserem wie immer bis unters Dach bepackten und für alle Eventualitäten ausgerüsteten treuen Toyota Landcruiser Namens «Tico».
Die Fahrt in unserem Reisetempo bis nach Livorno zieht sich unendlich, die Grenz- resp. Covidkontrollen inexistent und erst als wir vor der Fähre stehen, werden wir erstmals nach dem «Green Pass» (Covid-Zertifikat) und obligatorischer FFP2-Maske gefragt. Pünktlich um 22.00 Uhr legt die halbleere Fähre ab und wir sind froh, dass wir uns in unsere erstaunlich komfortable Aussenkabine verschlaufen können – der Tag war anstrengend und da wir für die Fahrt zum Glück genug Reservezeit einkalkuliert hatten, konnten wir kurz vor Livorno noch eine Siesta einlegen und gemütlich zu Abend essen.
Kurz vor 07.00 Uhr erwachen wir einigermassen ausgeruht durch die metallische Bordansage und nach der willkommenen Annehmlichkeit einer heissen Dusche heisst es bereits wieder Bordkarte abgeben und ausschiffen – jetzt kann das Abenteuer Sardinien starten!
Die Hafenstadt Olbia lassen wir rasch hinter uns und auch die chice, dicht besiedelte Costa Smeralda lassen wir links – oder eher rechts liegen und fahren praktisch alleine über gewundene Landstrassen durch die Hügel nach Norden. Es ist bewölkt und recht kalt, aber wir haben es kuschlig warm in unserer rollenden Festung und es gibt ja so viel zu sehen unterwegs. Gefühlt all paar Minuten muss angehalten und fotografiert werden, mal ein Kaktus mit Früchten, mal ein historischer Steinhaufen aus der Nuraghenzeit (1800 – 900 v.Chr.) oder sonst eine Kuriosität am Wegrand.
Am Capo Testo, der Nordspitze Sardiniens, schlägt uns ein heftiger, eisiger Wind um die Ohren. Nichtdestotrotz klettern wir dick eingepackt durch die felsige Küstenlandschaft, erkennen die phantasievollsten Gebilde in den ausgewaschenen Kalkfelsen und erblicken sogar die korsische Küste im Norden mit Bonifacio, der mittelalterlichen Stadt welche hoch auf den Klippen thront.
Unser erstes Nachtlager suchen wir uns dann aber lieber im hügeligen Landesinneren, wo es weniger stürmisch zugeht. Bei einem romantischen Kirchli auf einem Hügel mit Weitsicht werden wir fündig und nach einem windigen Abendessen freuen wir uns aufs kuschlige Bett und die Standheizung, die rasch wohlige Wärme verbreitet.
Castelsardo
Trotz der Kälte gefällt uns das grüne Landesinnere mit den rustikalen Dörfern und den Korkeichenwäldern sehr und es bietet sich an, dieses auf den unzähligen unbefestigten Wegen zu erkunden. Bevor wir uns hier aber weiter vorarbeiten, schwenken wir noch einmal zurück zur Küste, wir wollen den sonnigen Tag nutzen um die Halbinsel Castelsardo mit gleichnamiger Burg zu erkunden. Hoch erhebt sich das Castello auf dem Hügel, das Städtchen drängt sich wie zum Schutz dicht an das trutzige Gemäuer. Tico lassen wir hier für einmal draussen stehen und erklimmen die engen, steilen Gassen zu Fuss. Von der Burg hat man einen schönen Rundumblick auf den Yachthafen und hinunter zur Stadt, wir geniessen die Sonne und das T-Shirt-Wetter, nichts ahnend dass es nicht so bleiben würde…
Bevor wir den Rückweg antreten, gönnen wir uns zwei köstliche Panini mit Beilage, ich glaube die Küche bleibt heute Abend geschlossen im Freistaat Tico!
Der Abstecher zum bekannten Rocca Elephante hätte man sich sparen können, dafür gibt es einen schönen, gut erhaltenen Nuraghenturm zu erkunden, der sogar im Inneren noch weitgehend intakt ist.
Auf Abwegen hoch hinaus…
Im Sommer schätzen die Sarden das kühle Klima und die Wälder der Gallura im Norden der Insel. Der Hauptort Tempio Pausiano ist somit auch das touristische Zentrum der Region. Jetzt im Winter sind die meisten Hotels und Restaurants, Sportgeschäfte und Touranbieter geschlossen, einzig die eine oder andere Bar, wo die Sarden ihren morgendlichen Cafe trinken, ist geöffnet. Ich hatte mir ein paar Wanderungen in der Gegend rausgesucht, doch es stellt sich bald heraus, dass sich diese wunderbar für artgerechte Fahrer- und Fahrzeughaltung eignen. Wie haben wir das vermisst, mit Tico im Kriechgang Berge raufzurumpeln, die geeignete Fahrspur zu diskutieren und technische Passagen zu überwinden. Das heisst eigentlich Dani, denn ich steh ja dann in der Regel irgendwo vor dem Hindernis, weise Dani über die richtige Stelle und versuche nebenher mit dem Handy Actionaufnahmen zu schiessen, was sich im Nachhinein bis jetzt allerdings immer als enttäuschend herausgestellt hat.
Auf so einem fahrerischen Leckerbissen erreichen wir am späten Nachmittag schliesslich auch den Gipfel des Monte Limbara, den höchsten Berg der Gallura und versuchen das perfekte Panoramabild aufzunehmen, während die orkanartigen Sturmböen ihr Bestes tun, um uns vom Berg zu wehen. Die nächste Herausforderung ist die Suche nach einem windgeschützten Schlafplatz, sonst wird’s wohl nichts mit Kochen, geschweige denn einer ruhigen Nacht im Aufstelldach. Wir werden fündig an einem Picknickplatz etwas unterhalb des Gipfels und Dani greift sich als Abendlektüre meinen Wanderführer, mir schwant übles…
Es liegt Blei in der Luft…
Wir trotzen dem Wind, dem schlechten Wetter und den Höchsttemperaturen von max. 8°C und bleiben in den Hügeln. Die Region Oristano weist viel vulkanischen Ursprung auf und es gibt unzählige Lavatunnel und sogenannte Trebinas – erloschene Vulkankegel zu entdecken. Auf mehr schlecht als recht unterhaltenen Pfaden erkunden wir den Nationalpark rund um den Monte Arci mit seinen zahlreichen wunderschön gestalteten Picknickplätzen, meist mit Grillstellen und Quellen, im Sommer muss hier die Hölle los sein!
Heute sind wir vorwiegend im Auto unterwegs. Zum einen schätzen wir das wohlige Klima im Inneren aber vorallem weil es heute nicht ganz ungefährlich ist zu Fuss durch den Wald zu streunen. Es ist Jagdsaison auf Sardinien und am Donnerstag ist Jagdtag. Die sardischen Jäger sind als besonders schiesswütig bekannt und bereits am Morgen früh erschüttern Schüsse die winterliche Stille. Wir werden aber von Querschlägern verschont und grüssen freundlich all die gut getarnten Jäger, die schier hinter jedem Busch hervorwinken. Derweil unterhält mich Dani mit seinen haarsträubenden Geschichten, wie sie auf ihren Endurotouren jeweils Bekanntschaft mit dieser doch speziellen Berufsgattung machen durften, insbesondere wenn nach einem - mehr oder weniger – erfolgreichen Tag nebst den Gewehren vor allem auch die Gläser gehoben werden. Heute landet bei uns allerdings kein sardischer Hirsch auf dem Grill dafür einen guten – mit der Standheizung auf Trinktemperatur aufgewärmten – sardischen Rotwein.
Im Wilden Westen
Der Westen der Insel ist für zwei Dinge bekannt: zum einen die Costa Verde mit ihren Dünenlandschaften, zum anderen ist es – resp. war es – reich an Bodenschätzen. So wurde hier vor rund hundert Jahren an allen Ecken und Enden erst nach Silber, später nach Blei, Zink und Kupfer gegraben, davon zeugen unzählige stillgelegte Minen, deren Hinterlassenschaften stetig vor sich hinrosten während sich die Natur mit gleicher Geschwindigkeit ihre Land zurückerobert.
Die Küste ist kalt und windig und komplett ausgestorben im Winter, so gibt es für uns rund um die einst florierenden Bergbauzentren von Ingortosu und Iglesias mehr zu entdecken. Die alten Minenschächte sind heute alle bis auf kleine Schlitze zugemauert so dass sie für neugierige Touristen keine Gefahr mehr darstellen und die Fledermäuse ungestört brüten können, doch es gibt auch so noch viel spannendes zu sehen in der Region Montevecchio. Wir lieben es Geschichte hautnah zu erleben und stellen uns vor, wie es sich damals gelebt und gearbeitet hat.
Am roten Fluss
Die Folgen des Bergbaus zeigen sich auch heute noch, zum Beispiel am Riu Rossu, wie der rote Fluss auf sardisch heisst. Der Fluss und sein Bett sind rostrot und zeugen vom Mineraliengehalt des Wassers – leider auch von Giftstoffen die man zum Bleiabbau eingesetzt hat. Entlang des Flüsschens, teilweise auch direkt darin, führt eine rumplige Piste bis zur Mündungsstelle an der Küste. Wir sind froh haben wir so ein geländegängiges aber vor allem auch schmales Reisegefährt, teilweise ist der Pfad so schmal, dass wir uns den Weg zwischen den dornigen Büschen richtig suchen müssen. Besonders freut uns aber, dass wiedermal die Sonne scheint, so kommen die Farben des Flusses, vor allem aber der beeindruckenden Dünenlandschaft an der Küste erst so richtig zur Geltung.
Wir geniessen die Wärme, die Sonne und das Herumstreifen in den Dünen. Der warme Sand zwischen den Zehen fühlt sich gut an und wir tanken die Wärme, als ob wir sie für die bevorstehende kalte Nacht speichern könnten.
Auf in den Süden
Die Gegend um Iglesias gefällt uns besonders gut und wir finden immer wieder neue Tracks die uns auf anspruchsvollen Pfaden wieder in andere Täler führen. Wir werden nicht müde uns weitere Ghost Towns und Minen anzusehen, auch wenn das Wetter wieder grausig ist und man am liebsten einfach im Auto sitzen bleiben würde.
Unser Weg führt uns durch die mit dichter Macchia überwucherten Hügel in den Süden, es riecht nach wildem Thymian und bereits liegt ein Hauch von Salz in der Luft, das Meer ist nicht mehr fern…
Irgendwann rumpeln wir runter zur Küste, zwischen den zerklüfteten Felsen liegen versteckte Badebuchten und Sandstrände, im Sommer vermutlich nicht ganz so verwaist wie jetzt. Kurz vor Chia, wir cruisen der Küste entlang, jeder in seinen Gedanken, schreckt uns ein dumpfer Knall von der rechten Fahrzeugseite zurück ins Jetzt, Was war das? Ein Stein etwa, hochgeschleudert? Ausser einem am Strassenrand parkierten Jeep war da weit und breit nichts. Der Kontrollblick in den Aussenspiegel lässt keine Schäden erkennen, also lassen wir es bewenden, trotzdem merkwürdig… Wenige Minuten später fährt uns ein weisser Jeep auf, gibt Signale und blinkt rechts. Haben wir doch irgendwo einen Schaden? Wir fahren rechts ran. Der recht junge Fahrer steigt aus und erklärt uns, wir hätten beim Vorbeifahren sein Fahrzeug gestreift und seinen Aussenspiegel beschädigt. Fragend sehen wir uns an, ist das möglich? Der Fahrer zeigt auf einen schwachen schwarzen Striemen auf unserer Beifahrertür und seinen wackeligen Aussenspiegel. Aufgeregt lamentiert er sehr italienisch seinen Schaden und fragt nach unserer Versicherung. Während mir langsam nicht ganz wohl ist inspiziert Dani seelenruhig die «Beweise» und zwinkert mir zu, ich sehe ihm an, dass ihm das Bürschchen grad recht kommt. Hier versucht uns doch jemand gerade ganz perfid in die Pfanne zu hauen, doch so einfach lässt sich Dani nicht täuschen. Einerseits wäre mir nämlich aufgefallen, wenn wir dem Jeep zu nahe gekommen wären und andererseits stimmen Höhe von Striemen und Aussenspiegel nicht überein. Unser eh nur rudimentär vorhandenes Italienisch wird plötzlich völlig inexistent und Dani schlägt mit breitestem Schweizerdeutsch und dazu passenden Gestikulationen zurück. Der Jeepfahrer sieht seine Felle davonschwimmen und versucht ein letztes Mal Bargeld aus uns herauszuschlagen. Während Dani sichtlich entspannt bleibt, möchte ich einfach nur aus der Situation raus, es sind noch mehr Leute im Jeep und die Lage könnte ja auch plötzlich kippen. Wir beenden das Ganze, steigen ein und fahren weiter, während uns der Vagant hinterher schimpft.
Noch immer leicht im Schock verpassen wir prompt unsere Abzweigung und müssen bei der nächsten Gelegenheit wenden. Während wir kurze Zeit später auf derselben Strasse zurückfahren, sehen wir doch tatsächlich den weissen Jeep wieder, wie er dasselbe Spiel wild blinkend bei einem anderen Fahrzeug wiederholt. Wir können nicht fassen wie dreist hier vorgegangen wird und sind froh, dass wir den Spuk rechtzeitig durchschaut haben. Noch einige Zeit beschäftigt uns der Vorfall und wir wissen bis heute nicht, mit was sie den dumpfen Knall und den Striemen an unserer Tür verursacht haben, mit dem Aussenspiegel aber definitiv nicht!
Nach diesem Schrecken haben wir grad gar keine Lust mehr auf Stadtverkehr und lassen den geplanten Besuch von Cagliari aus. Anstelle eines Paninis auf der Piazza fahren wir zum Leuchtturm hinter der Stadt und basteln unsere eigenen «Iiklemmte» mit köstlichem Parmaschinken und sardischem Käse. Danach spazieren wir trotz Eiseskälte und stürmischem Wind zum alten Militärfort über Cagliari, wo wir bei verfallenen Artilleriestellungen und Tunnels zum Inspizieren die Schrecken des Morgens vergessen.
Pure Einsamkeit im Südwesten
Die nächsten Tage lassen wir uns Treiben – von der Landschaft, dem Wetter und unserer Stimmung. Aufgrund des Wetters verbringen wir viel Zeit im Auto und darum sind immer wieder froh um die braunen Wegweiser am Wegrand, die auf eine Sehenswürdigkeit hinweisen. Sardinien hat diesbezüglich viel zu bieten, gab es in der Geschichte doch immer wieder wechselnde Herrscher, die sich in Form von verschiedensten Bauwerken verewigen wollten.
Abwechslung bringen aber auch die spannenden, zum Teil anspruchsvollen Offroadpassagen in die wir uns immer wieder aufs Neue manövrieren, da wir uns bevorzugt auf abgelegenen, selten befahrenen Pfaden bewegen. Häufig fängt so ein Track harmlos an und wird im Verlauf immer enger, steiler und/oder ruppiger. Manchmal muss man wenden, wenn man denn kann oder sonst eine Lösung finden. Herausfordernd sind besonders felsige Steinstufen, steinige Bachbette oder rutschige Schräglagen. Da wird schon mal die Schaufel ausgepackt oder Steine geschleppt – Dani hat immer einen Plan B, oder C oder was es denn auch braucht um uns wieder auf festen Boden zu bringen. Auch wenn wir bis jetzt noch jede Herausforderung im Team gemeistert haben, bringen mich diese Situationen immer mal wieder aus der Ruhe und ich versuche nicht daran zu denken, was alles passieren könnte.
Als Kontrast sind wir aber auch immer auf der Suche nach DEM Platz, an dem einfach alles stimmt. Wenn man so einen findet kann man das Camperleben in höchster Form zelebrieren. Da nimmt man sich dann auch die Zeit um Arbeiten im und am Fahrzeug auszuführen, Fotos zu sortieren, Haushalt zu erledigen oder auch mal ein feines Brot zu backen.
Rauhe Westküste
Nördlich der Costa Rei zieht es uns nochmals ans Meer. Wir fahren einen atemberaubenden Track, der sich durchs Küstengebirge schlängelt - stets nur wenige Meter von den schroffen Klippen entfernt. Wir kämpfen unseren Weg durch die Felsen und ich bin jedes Mal erleichtert, wenn sich alle paar Kilometer ein Platz zeigt, auf welchem man notfalls wenden könnte – die Strecke ist eine Herausforderung für sich – nicht auszudenken, diese rückwärts fahren zu müssen! Während der gesamten Zeit sehen wir keine Menschenseele was anderseits aber auch gut ist, denn ein Kreuzen mit einem anderen Fahrzeug ist hier mit ganz wenigen Ausnahmen ein Ding der Unmöglichkeit…
Schlimmer geht immer…
Das Wetter hat sich stetig gebessert und immer wieder sehen wir in der Ferne die schneebedeckten Gipfel des Gennargentu-Massivs in der Sonne glitzern, da wollen wir hin. Zielstrebig suchen wir uns durch die wunderschöne Gebirgswelt der Barbagia einen Weg nach Norden, lassen uns weder durch weitläufige Schluchten noch stetig sinkender Temperaturen aufhalten. Lediglich die breite Furt des Flumendosa zwingt uns in die Knie, dessen Durchquerung Dani nach kompletter Durchwatung – was bei Aussentemperaturen im Minusbereich doch eine äusserst bewundernswerte Aktion darstellt – schweren Herzens als zu gefährlich einstuft.
Auf der Suche nach dem besten Weg haben wir völlig ausgeblendet, dass sich die Wolken immer mehr verdichten und als wir schliesslich die Schneegrenze erreichen, sehen wir genau gar nichts mehr von der Bergwelt, die uns nun seit Tagen hergelockt hat. Das war im wahrsten Sinne des Wortes ein Schuss ins Graue und wir machen uns etwas frustriert daran, wieder wärmere Gefilde zu erreichen.
Auf den Spuren der Nuraghen
Immer wieder stösst man auf Sardinien auf steinerne Zeugen der Nuraghenzeit. Ähnlich anderer Kulturen ihrer Zeit waren auch die Nuraghen geschickte Baumeister. Besonders eindrücklich kann man dies an ihren Grabanlagen und Türmen sehen. Heute möchten wir eine ihrer grössten Siedlungen am Monte Tiscali bestaunen, ein Rückzugsort in die schützenden Bergen zur Verteidigung gegen die Sarazener. Der Monte Tiscali besteht aus Karstgestein und das Dorf lag in eine riesige Höhle die erst entdeckt wurde, als das gigantische Dach einstürzte. Heute kann man zur so entstandenen Doline hochwandern und die Überreste der Siedlung von einem schön angelegten Rundweg erkunden. Mehr als die alten Mauern hat mich die unfassbare Grösse der einstigen Höhle fasziniert und der Umstand, dass der doch rechte betagte Hüter der Höhle und Kassier des Eintrittsgeldes jeden Tag hier hochkraxelt und das vermutlich doppelt so schnell wie wir…
Doch nicht nur der Monte Tiscali ist faszinierend, das ganze Supramonte-Massiv begeistert uns und würde unsere Zeit hier nicht langsam zu Ende gehen, hätten wir gerne noch weitere Tage hier verbracht mit dem Erkunden der weitläufigen Schluchten.
Für die Fahrt zurück nach Olbia wählen wir einen Weg durchs hügelige Landesinnere. Trotz wunderschönem Wetter bleibts eisig kalt, doch dank der neuen leistungsstarken Lithiumbatterie können wir sorgenlos die Nacht durchheizen und brauchen uns keine Gedanken um die Stromreserven zu machen – im Gegenteil, der Kühlschrank schnurrt, das Licht brennt und auch die ganze Elektronik lädt sich nebenbei, was für ein Luxus!
Morgens durch die winterliche Landschaft zu cruisen hat etwas unheimlich friedvolles, es ist menschenleer und die Insel scheint im Winterschlaf. Die wärmende Morgensonne verwandelt den ganzen Raureif in Tau und überall glitzert und glänzt es… Es ist der letzte Tag und um 22.00 geht die Fähre aufs Festland. Wir haben nur noch wenige Kilometer bis nach Olbia und überlegen, wie wir die Zeit bis heute abend totschlagen könnten. Doch wieder einmal kommt es anders als geplant. Die auf der Karte unspektakuläre Landstrasse durch die Monti di Alà entwickelt sich mal wieder zu einer haarsträubenden Angelegenheit. Noch einmal müssen wir unseren ganzen Einfallsreichtum aufbieten, um verschüttete Abschnitte, ausgewaschene Passagen und steinige Bachbette zu überwinden. Zu alledem ist es unglaublich steil und die Stellen zum Anhalten müssen gut ausgewählt sein um danach wieder anfahren zu können. Während Dani wie immer sichtlich Spass an der Aufgabe hat, mache ich mir bereits Sorgen, dass wir die Fähre nicht rechtzeitig erreichen könnten. Immer wenn ich denke: so, jetzt haben wirs geschafft, wartet hinter der nächsten Kurve die nächste Herausforderung die es zu bewältigen gilt. Irgendwann sind wir aber oben, geniessen die atemberaubende Aussicht und auch ich sehe mit nicht wenig Stolz zurück auf die gemeisterte Strecke. Das Canadien Breakfast haben wir uns redlich verdient und rumpeln danach gestärkt auf der anderen Seite wieder ins Tal. Ich bin einmal mehr erleichtert dass die Sache heil ausgegangen ist während Dani scherzt, dass das auch Nonnas Cinquecento geschafft hätte: Tatsächlich staunen wir immer wieder, wie weit man mit einem Fiat Panda und einer Portion Unbesorgtheit doch kommen kann…
Auf dem Weg nach Olbia fahren wir durch einige Dörfer auf der Suche nach den letzten Einkaufsmöglichkeiten um unseren Vorrat an sardischen Spezialitäten auffüllen zu können. Das ist jeweils ein Abenteuer für sich, denn selbst wenn man konsequent auf der Hauptstrasse bleibt, findet man sich nicht selten in so engen Gassen wieder wo man dann schier die Aussenspiegel einklappen muss um irgendwie die Kurve zu kriegen, natürlich kommt dann genau besagte Nonna mit ihrem Cinquecento… aber lassen wir das, Ausschweifungen über das Fahrverhalten der Italiener würde den Rahmen dieses – bereits eh umfangreichen – Reiseberichts noch mehr sprengen…
Auf jeden Fall erreichen wir Olbia ohne weitere Zwischenfälle und verbringen die letzten Stunden am Strand, wo wir einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang geniessen und die vergangenen zwei Wochen Revue passieren lassen.